In diesem Sommer, am 3. Juni 2024, wird sich der Todestag des Schriftstellers und gebürtigen Pragers Franz Kafka zum hundertsten Mal jähren. Der Adalbert-Stifter-Verein hat in Zusammenarbeit mit der Stadtbibliothek Prag und dem Prager Unesco-Projekt „Stadt der Literatur“ zu diesem Anlass das Projekt Kafka 2024 ins Leben gerufen. Frau Jürgens, was bringt das Projekt?
Zuzana Jürgens|Foto: Tomáš Vodňanský, Tschechischer Rundfunk
„Dieses Projekt hat zwei Seiten. Die eine ist, Veranstalter und Kooperationspartner aus Deutschland, Österreich, Tschechien und anderen Ländern zusammenzubringen, die sich in diesem Jahr mit Kafka befassen wollen. Wir haben uns eigentlich bereits vor zwei Jahren zusammengetan, um auch gemeinsame Veranstaltungen entwickeln zu können. Das ist für die Öffentlichkeit nicht so sichtbar, deswegen gibt es auch die zweite Seite, und das ist vor allem eine Website. Unter www.kafka2024.de oder www.kafka2024.cz sind – auf Deutsch, Tschechisch und Englisch – Informationen über viele Veranstaltungen zu Franz Kafka und seinem Jubiläum in Deutschland, Tschechien, Österreich, Frankreich und weiteren Ländern versammelt. Wir haben nicht den Anspruch, wirklich alles aufzulisten, aber es sind schon recht viele Programme an vielen Orten.“
Wo haben Sie am Anfang die Partner gesucht? Wie lässt sich so etwas organisieren und koordinieren?
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„Der Adalbert-Stifter-Verein hat den Vorteil, dass er sich wirklich schon sehr lange im Bereich der deutsch-tschechischen Beziehungen bewegt. Deshalb kennen wir sehr viele Partner, die in diesem Bereich tätig sind. Ich bekomme manchmal die Frage, warum wir das eigentlich machen? Ich denke, es kann niemand anderer machen, als eine Institution, die grenzüberschreitend arbeitet und sich sowohl mit Tschechien als auch mit Deutschland sowie mit dem deutschsprachigen Kulturerbe in Böhmen beschäftigt. Wir haben dieses Projekt auch deswegen angestoßen, weil wir denken, dass man über die Person des Franz Kafka auch viel über die deutsch-tschechischen Beziehungen kommunizieren kann und dass es eine Gelegenheit ist, bei der deutsche und tschechische Einrichtungen zusammenkommen können, die bislang nicht kooperiert haben. Deswegen freut es mich, dass wir auch einen Schirmherr und eine Schirmfrau haben, nämlich Claudia Roth, die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, sowie Martin Baxa, den tschechischen Kulturminister.“
Wie suchen Sie Informationen dazu, was wo stattfindet und mit Kafka zusammenhängt?
„Am Anfang haben wir tatsächlich auf den Kreis derjenigen zurückgegriffen, mit denen wir schon länger wegen anderer Themen in Kontakt stehen. Inzwischen ist das Projekt so bekannt, dass uns die Veranstalter auch selber kontaktieren, und fragen, ob wir ihre Veranstaltung auf die Website bringen können. Das freut mich natürlich.“
Sie haben somit einen guten Überblick, was wo los ist. Wie stark wird denn das Kafka-Jubiläum aktuell reflektiert? Haben viele Künstler und Akteure das Thema Kafka aufgegriffen?
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„Ich würde sagen, ja. Es sind nicht nur diejenigen, die aus ihrem Tätigkeitsfeld heraus mehr oder weniger verpflichtet sind, das zu machen, sondern es sind auch andere Einrichtungen, wie Theater oder Ausstellungshäuser, die das aufgegriffen haben. Erfreulich ist, dass sich das nicht nur auf Tschechien, Deutschland oder Österreich konzentriert, sondern dass diese Veranstaltungen auch außerhalb der deutschsprachigen Regionen verteilt sind.“
Lässt sich sagen, dass das Interesse in Prag am größten ist?
„In Prag wird natürlich Einiges stattfinden, das Interesse ist da. Es gibt auch etliche Förderprogramme, von der Stadt, vom Kulturminister, vom Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds. Aber wir haben mit einigen Partnereinrichtungen auch ein Programm etwa in München gestaltet. Und natürlich wird auch Wien zu einer Kafka-Stadt.“
Sie haben das Programm in München angesprochen. Heißt das, dass der Adalbert-Stifter-Verein nicht nur das Netzwerk koordiniert, sondern auch selbst einige Veranstaltungen vorbereitet?
„Ja natürlich. Wir organisieren selbst Veranstaltungen, nicht nur in München, sondern auch in Tschechien. Eine davon, die ich gerne erwähnen möchte, findet nicht in Prag, sondern in Pilsen statt, was auf den ersten Blick überraschend wirken mag. Wir arbeiten mit der Westböhmischen Galerie zusammen, die eine schöne Sammlung der Kunst vom Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts besitzt, also der Zeit, in der Kafka gelebt hatte. Er hatte Beziehungen zu bildenden Künstlern, zeichnete auch selbst, besuchte Ausstellungen. Seiner Beziehung zur bildenden Kunst und der Frage, wie diese etwa seine Sprache beeinflusste, ist eine Ausstellung gewidmet, die in diesem Jahr in der Westböhmischen Galerie stattfinden wird.“
Sie sprechen von einer Vielzahl von Zugängen zu Kafka. Können Sie einige Genres und Beispiele nennen?
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„Ich glaube, es gibt kein Genre, das ausgespart bleibt. Von der wissenschaftlichen Beschäftigung, über Ausstellungen zeitgenössischer Künstler, die sich von Kafkas Themen inspirieren ließen, bis zu Konzerten, Diskussionen und Theatervorstellungen, wie zum Beispiel eine schöne Kooperation der Leipziger Schaubühne Lindenfels mit dem Brünner Theater Husa na provázku. Es entstehen auch neue Dokumentarfilme oder sogar Spielfilme zu Kafka. Es gibt auch Workshops für Kinder, für Erwachsene, Lesungen… Ich würde fast sagen – alles.“
Auf der Website findet man auch einen Blog? Wer schreibt die Beiträge?
„Wir haben zum einen Schriftsteller und Künstler angesprochen, die sich auf die eine oder andere Weise mit Kafka beschäftigen. Angefangen mit Tomáš Kafka, dem tschechischen Botschafter in Berlin, über Jaroslav Rudiš, Marie Rakušanová, die die erwähnte Ausstellung in Pilsen kuratiert, bis etwa zu Bernhard Setzwein, der einen neuen Roman über Franz Kafka geschrieben hat. Ich hoffe, es wird das ganze Jahr lang eine bunte Bandbreite von Beiträgen geben. Und auch die Veranstalter werden berichten, warum und wie sie ihre Programme vorbereitet haben.“